7. Schulwoche

7. Schulwoche, 13. bis 19. Juni:

Nach dem Wochenende starten wir die 2. letzte Schulwoche. Unglaublich, wie jetzt die Zeit schnell vergeht. Wir sind schon 10 Wochen weg von zu Hause. Ich habe mich aber nie alleine gefühlt hier in der Ferne. Während der gesamten Zeit habe ich Mails von vielen Freunden bekommen. Das Abrufen der Mails ist zu einem Morgenritual geworden. Da das Learning Center immer erst um 9.00 Uhr öffnet und wir früher in der Schule sind führt unser Weg als Erstes zu den Computern im Aufenthaltsraum. Zu dieser Zeit ist der grosse Raum noch schön sauber, riecht mehr oder weniger frisch nach Putz- und Desinfektionsmittel. Nach der Mittagspause sieht es dort aus wie in einem Hühnerstall und es riecht jeweils übel. Die asiatischen Studenten bringen ihr Essen meist selber mit, da sie „unser“ Essen nicht so schätzen, wie sie selber sagen. Zur Lunchtime herrscht auch grosser Betrieb und man versteht sein eigenes Wort kaum, wenn überall in allen möglichen und unmöglichen Sprachen geschnattert wird.
So geniessen wir jeweils die ruhige Morgenzeit. Ich freue mich über neue Nachrichten und Grüsse aus meiner Mailbox und Eveline startet die Appenzeller-Zeitung auf. So sind wir auch hier informiert über Hintz und Kuntz.
Am Montagmorgen hängt das Social Programm am Anschlagbrett und wir sind gespannt, wie viele Interesseninnen wir wohl fürs Freundschaftsbänder knüpfen haben werden. Man kann sich bis 1 Std. vor Kursbeginn, also bis Dienstag 15.00 Uhr anmelden.
Dieser Montag ist für mich aber etwas speziell, da ich Charlie und Jodie in die Schule begleite. Jodie hat alle 2 Wochen ihren Einsatz als Unterrichtshilfe und Schulbusbegleitung. Und zwar fährt hier der Schulbus nicht sondern es ist ein „walking school bus“. Das heisst, wenn die Kinder der Primarstufe zu Fuss in die Schule gehen werden sie von 3 Müttern in gelben Leuchtjacken an einem Treffpunkt abgeholt und auf dem Schulweg begleitet. Die Kinder haben an ihren Rucksack ein Mehrfahrtenticket befestigt. Jedes Mal wenn sie mit dem Bus laufen, bekommen sie ein Loch in ihr Ticket. Wer 25 Löcher hat wird mit einem Zertifikat belohnt und bekommt vom Schulleiter Gratulationswünsche. So möchte man die Kinder motivieren, sich nicht immer von den Eltern chauffieren zu lassen. Gute Sache, finde ich!
So begleite ich den „Schulbus“. Heute ist ein Junge dabei, der letzte Woche 5 Jahre alt geworden und somit in die 1. Klasse eingetreten ist. Es ist seine erste „Schulbusfahrt“. Die 3 Begleiterinnen begrüssen den Jungen sehr freundlich, stellen ihn den anderen Kindern vor und somit sind bis zum Schluss 22 Kinder fröhlich am Plaudern und laufen gemeinsam in die Bamoral-Schule. Ich werde sehr freundlich von der Lehrkraft der 2. Klasse begrüsst. Ich erfahre, dass die ersten 2 Lektionen meinem Besuch gewidmet sind. Da komme ich grad ein bisschen ins Schwitzen. Die Kinder in dieser Klasse sind 6 und 7 Jahre alt. Bis um 9.00 Uhr beschäftigen sich die eintrudelnden Kinder selbständig, dann beginnt der Unterricht zusammen. Die Klasse findet heraus, was für ein Tag und Datum ist, in Englisch und in Maori. Die Lehrkraft schreibt alles auf und man wiederholt alles nochmals. Den Lehrkräften ist freigestellt, wie viel Maori sie in ihren Unterricht anwenden, aber man muss die Sprache der Einheimischen einbauen. Nicht jede Lehrkraft spricht gleich gut Maori. Nach der Morgenbegrüssung dann komme ich an die Reihe und erzähle aus der Schweiz. Auf einem Globusball zeige ich, wo denn unser Land ist und sofort werde ich mit Fragen bombardiert. Die Kinder wollen allerhand wissen. Ob wir wohl gefährliche Tiere wie Löwen, Schlangen, Tiger und Bären hätten. Da es in NZ keinerlei gefährliche Tiere gibt ist diese Frage immer sehr aktuell. Ich erzähle vom Bär Bruno, der vor ein paar Jahren von Italien ins Engadin spaziert ist. Alle sind fasziniert und wollen wissen, ob es diesen Bären noch gibt. Ich berichte, dass er abgeschossen wurde, weil er viele Schaft gerissen hatte. In den anschliessenden Aufsätzen, die eine nachfolgende Aufgabe sind, schreiben vor allem die Buben von Bruno. Immer wieder kommen die Kinder während dem Schreiben zu mir und wollen mehr Informationen. Jodie und eine andere Mutter werden von der Lehrkraft gebeten, sich um die Kinder, die am Schreiben sind zu kümmern. Einige haben Mühe mit Schreiben, andere mit Buchstabieren oder die richtigen Worte finden. Die Schulzimmertüre ist während der gesamten Zeit offen, es kommen immer wieder mal Eltern rein, setzen sich zu ihrem Kind, helfen beim Schreiben und verschwinden wieder. Sehr ungewöhnlich für mich aber erstaunlich, dass das keine grössere Unruhe hervorruft. Zum Schluss lesen einige Kinder ihre Aufsätze vor und zeigen die Zeichnungen, die sie zur Schweiz und mir gemacht haben.
Am Dienstagmorgen kaufen wir das Material für die Freundschaftsbänder ein und sind am Nachmittag sehr erfreut, 7 Studenten begrüssen zu dürfen. 5 davon sind Männer, kaum zu glauben. Korea, Tahiti und Saudi-Arabien sind vertreten. Sogar James, der Lehrer der die Programme organisiert kommt und macht mit. So bringen wir den Interessierten anhand von Zeichnungen, einem Modell aus Schuhbändern und mit Händen und Füssen das Knöpfen bei. Nicht alle sind ganz so geschickt mit den Händen, aber nach einer Stunde haben alle ein Stück fertig. Ein Student hat sich für 7 Bänder Material mitgenommen. Und am Donnerstag kommt er und zeigt uns sein erstes Band fix und fertig. James möchte uns für eine nächste Woche noch einmal buchen, aber wir sind ja nur noch nächste Woche hier.
Der Mittwoch ist ein spezieller Tag. Eveline feiert ihren Geburtstag und am Nachmittag wird ein Werbe-Video über die Schule gedreht. Wir machen als Statisten mit. Man sagt uns, alle Alter sollten vertreten sein... So besammeln sich nach dem Mittagessen ca. 15 Studenten aus den verschiedensten Ländern an der Reception und werden instruiert. Manuela, eine junge Schweizerin spielt die Hauptrolle und wir üben mit ihr den Text beim Mittagessen. Und so geht der Nachmittag mit viel Warten vorbei. Mhh, danach wir freuen uns auf einen Spaghettiplausch bei Evelines Hostfamily. Röbi und Marianne kommen auch. Sie haben uns vor einigen  Wochen zum Snapper-Essen eingeladen. Es wird ein lustiger gemütlicher Abend und man würde nicht merken, dass sich die meisten Leute erst heute Abend kennen gelernt haben. Pascal ist auch dabei.
Der Donnerstag ist ein anstrengender Tag, da wir wieder einmal mit viel Grammatik zu tun haben. Wir machen ein Spiel, in dem man Sätze beurteilen muss. Sind sie Richtig oder Falsch und warum. Uff! Und die Gruppen müssen bieten. Mit 1000 Punkten beginnt jede Gruppe. Wir heissen die 3?, weil die Sätze wirklich nicht ganz einfach sind. Zwischendurch muss ich Liegestützen machen, dass wir wieder zu Money kommen. Andere tanzen als Cheerleader und Carlos, unser neuer Brasilianer glänzt mit vielen Liegestützen. Wir wären gar nicht so schlecht, aber nicht sehr risikofreudig, sodass wir verlieren. Jänu, hat wirklich Spass gemacht. Aber im Learning Center dann musste ich mich hinter die Hausaufgaben machen. Die Sätze studieren und herausfinden, warum man in diesem Satz diese und in einem anderen Satz die andere Vergangenheitsform anwendet. Soll mir mal einer erklären, wie man während dem Sprechen auch noch daran denken kann, wie lange eine Handlung dauert, ob sie nun abgeschlossen ist, mit der Gegenwart in Zusammenhang steht, Resultate daraus ersichtlich sind und der Zeitpunkt für den Sprecher überhaupt keine Rolle spielt... Für mich ein bisschen zu viel auf ein Mal. Aber dafür sind ja die Nachmittage da. Ich brauche sie um zu vertiefen und zum Zusammentragen des Stoffes im Unterricht. So bereite ich mich für den wöchentlichen Freitagstest vor und hoffe, dass sich meine Erkenntnisse auch bezahlt machen.
Der Freitag geht schnell vorbei, ich beginne den Film „Lord oft the ring“ zu schauen. Eine fast unendliche Geschichte. 9 Stunden würde ich in den kleinen Fernseher schauen, wenn ich alle 3 Teile schauen würde. Ich glaube fast, mir genügt der 1. Teil. Aber ich denke, der Film gehört dazu, wenn man in NZ ist. Am Abend bin ich bei Evelines Familie eingeladen. Dort sind die Eltern von Debbie aus Tauranga zu Besuch. Es wird ein sehr spannender Abend. Die Eltern berichten von ihrer Auswanderung und von vielen Zwischenstationen wie Rhodesien, Südafrika, Australien bis sie dann 1963 in NZ Fuss gefasst haben. Es ist wie einer der Romane, von denen ich schon haufenweise gelesen habe nur pure Wirklichkeit. Verrückt, wie sich die jungen Leute damals auf gemacht haben um ein „neues“ Leben zu beginnen.
Am Samstag gehen diese Geschichten weiter, wir besuchen nochmals das „War Museum“ im Domain Park. Wir hatten letztes Mal zu wenig Zeit und da die Wetterfrösche Regen voraus sagen ist ein Museumsbesuch gerade das Richtige. Es regnet die ganze Nacht durch in Bindfäden. Ich fürchte schon, dass es ins Zimmer regnen könnte, so stark sind die Regengüsse. Aber wie schon so viele Male, am Morgen geht der Himmel auf und wir geniessen einen schönen Tag. Den Morgenkaffe geniessen wir im Park in einem sehr gemütlichen Lokal an einem Weiher. Dann geht’s in die zwei Wintergärten, unserem botanischen Garten ähnlich. Wunderbare Pflanzen wachsen in den hohen Gewächshäusern, man ist sogleich verzaubert von der Kunst der Natur.
Anschliessend geht’s in aller Ruhe ins Museum. Wir steuern direkt die Themen an, die uns besonders interessieren oder die wir noch nicht gesehen haben. Da treffen wir eben auf Geschichten aus den Jahren nach dem 2. Weltkrieg. Neuseeländische Soldaten haben sich in Europa während ihrer Dienstzeit verliebt, verlobt oder verheiratet. Mit „Bride Ships“ (Braut-Schiffe) werden Hunderte von jungen Frauen aus verschiedensten Ländern nach NZ transportiert. Hier treffen sie auf ihren Liebsten und sind kaum bis gar nicht auf das Land, in dem sie sich niederlassen werden vorbereitet. Ich stolpere über die Erzählung einer jungen Griechin aus Thessaloniki, die im Krieg einen neuseeländischen Soldaten, der sich im Haus, in dem sie putzt versteckt. Sie verlieben sich ineinander und nach dem Krieg beginnt die Suche nacheinander. Über viele Ecken findet der Soldat die Frau, lässt sie nach NZ „verschiffen“ und die Zwei heiraten. Der Staat bezahlt die Überfahrten der vielen Einwanderer- Frauen, da das Land zu wenig Einwohner hat. Die Frau nimmt in ihrem Gepäck den Kopfschmuck (zwei Kränze, die durch ein Band verbunden sind), den man während der orthodoxen Heiratszeremonie dem Paar aufsetzt und vom Kopf der Braut zum Kopf des Bräutigams tauscht und dabei kreuzt mit. Das Paar heiratet in Wellington und lässt sich dort auch noch in der orthodoxen Kirche trauen. Ich erfahre, dass in Wellington die grösste Anzahl, ca. 4000 Griechen leben. Die Liebesgeschichte ist bebildert und der Kranz ist auch ausgestellt. Eindrückliche Zeitzeugen, man kommt fast nicht aus dem Lesen heraus. Aus all dem Elend haben sich auch immer wieder glückliche Begegnungen entwickelt.
Der Sonntag ist Jodie, die ihren Geburtstag feiert gewidmet. Ich werde eingeladen zum Dinner und wir erwarten noch eine befreundete Familie.
So starten wir am Montag die letzte Schulwoche und unsere „Agenda“ (seit 10 Wochen lebe ich ohne irgendwelche Einträge) ist schon randvoll: Essen mit Chie, Hospitieren in der Schule, in der n fremdsprachigen Kindern Englisch gelernt wird, Dinner bei Röbi und Marianne, Einladung von Jodie und Matt zum Nachtessen, Abschied von unseren Mitstudenten. Und dann natürlich noch Packen… Das wird wahrscheinlich eine grössere Aktion, bis alles wieder sortiert und verstaut ist.

Sponsoren